Bereits in der Eingangsrunde wurden von Seiten der Diskussionsteilnehmer die grundlegenden Fragen aufgeworfen, die ein nachhaltiges Reisen betreffen. Reisen ist immer mit einem gewissen Ressourcenaufwand verbunden. Sollte man deshalb auf das Reisen verzichten oder kann man sich Reiseangebote bzw. Urlaubsformen aussuchen, die einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck aufweisen? Gibt es solche? Was versteht man überhaupt unter nachhaltigem Reisen? Als wichtige Aspekte eines nachhaltigen Tourismus erscheinen auch dessen Sozialverträglichkeit und die Begegnung zwischen den Menschen und Kulturen.

Wolfgang Niederhofer, vom Reisebüro Vai e via stellt von vorneherein klar, dass es ein Patentrezept für nachhaltiges Reisen nicht gibt. Es ist eine Quadratur des Kreises. Sie versuchen mit ihren Reiseangeboten Akzente zu setzen, wie er es nennt. Es werden Reisevorschläge angeboten, die verstärkt auf ökologische Nachhaltigkeit sowie Sozialverträglichkeit Rücksicht nehmen.

Bezüglich Ressourcenverbrauch ist vor allem auf das Verkehrsmittel, womit ich mich fortbewege, zu achten. Den größten Teil des Ressourcenverbrauchs macht nämlich die An- und Rückreise aus. Ein wichtiges Kriterium dabei ist, auf das Fliegen wo und wann immer nur möglich zu verzichten. Das Flugkriterium des Forums Anders Reisen lautet folgendermaßen: Entfernungen unterhalb 700 km sollen nicht mit dem Flieger zurückgelegt werden. Im Falle von Flugreisen (bei Strecken über 700 km) sollte die Aufenthaltsdauer entsprechend länger sein, damit sich sozusagen der größere Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß besser bezahlt machen (im ökologischen Sinne). Es können auch CO2-Zertifikate gekauft werden, womit eine ökologische Kompensation für den Umweltverbrauch, der durch die Reise verursacht wird, geleistet wird. Vai e via hat sich ein erheblich strengeres Flugkriterium zugelegt. Nicht nur unter 700 km, sondern sogar unter 1.500 km wird in der Regel nicht geflogen. Griechenland- und Schottlandreisen werden ohne Flieger angeboten.

Nun ist natürlich die Frage aufgetaucht, ob das Flugzeug wirklich so eine miserable Umweltbilanz aufweist, wie das oft dargestellt wird. Hierzu wurden einige Zahlen geliefert: Ein Flieger verbraucht im Schnitt vier- bis fünfmal mehr Energie als der Zug oder Bus für dieselbe Strecke (bei langen Strecken verbessert sich die Energiebilanz des Fliegers etwas, da der meiste Sprit beim Aufsteigen verbraucht wird). Oder ein anderes Zahlenspiel: Für die Herstellung des Biosprits für einen Flug von München nach New York werden die gleich großen Agrarflächen benötigt, wie für die Ernährung von 5.000 Menschen für ein Jahr.

Wie kann das Flugzeug aber trotzdem konkurrieren mit den anderen Fortbewegungsmitteln? Das hat zum einen mit einer verzerrten Preis- und Steuerpolitik zu tun. Flugbenzin wird nicht besteuert und generell sind die Treibstoffpreise viel zu niedrig, da die externen Kosten, die der Verkehr verursacht, nicht berücksichtigt werden (fehlende Kostenwahrheit). Fahrkarten für die Bahn sind verhältnismäßig teuer; die Preispolitik der Bahn ist diesbezüglich nicht immer nachvollziehbar. Dann gibt es bei Fernflügen natürlich unbestrittene Zeitvorteile. Ein Flug von Europa nach New York dauert ca. 5 Stunden, eine Schiffsreise hingegen 5 Tage. Obendrein können Schiffreisen auch nicht als besonders ökologisch angesehen werden, da im Schiffsverkehr Schweröle als Treibstoff eingesetzt werden, die eine sehr schlechte Umweltbilanz haben. Bei Kurzflügen ist die Zeitersparnis hingegen nicht der Rede wert und auch bei mittleren Strecken sind die Zeitgewinne als relativ zu betrachten. Das Fliegen kann aber womöglich gewisse Komfortvorteile bieten.

Schließlich hat Wolfgang noch eine starken Sager bezüglich Fliegen vom Stapel gelassen: „Fliegen hat mit Reisen so viel zu tun, wie Saufen mit Trinken.“

Beim Ausarbeiten von Reiseangeboten nach Schottland oder Griechenland mit Bahn und Schiff beschleichen Wolfgang manchmal doch gewisse Zweifel, ob diese auch angenommen werden. Fakt ist, dass die notwendige Nachfrage sich eingestellt hat und die Reisen durchgeführt werden konnten. Die Beweggründe für die Teilnahme an diesen Reisen sind allerdings nicht immer ökologischer Natur.

Eine Landreise nach Schottland z.B. bietet einen gewissen Mehrwert: es werden Zwischenstopps gemacht und es muss auch nicht immer die kürzeste Verbindung genommen werden, sondern es können auch Strecken ausgewählt werden, die landschaftlich besonders reizvoll sind. Die Reise mit der Fähre nach Griechenland ist ebenfalls sehr gut angekommen. Die Schiffsreise wurde als entspannend erlebt und darüber hinaus konnte die wunderschöne Landschaft des Peloponnes genossen werden.

Z.T. werden auch die Reiseangebote etwas anders angelegt, als dies die meisten anderen Anbieter tun, womit den Ansprüchen gewisser Kunden besser entsprochen werden kann. Z.B. das Angebot Liparische Inseln hat alle sieben Inseln auf dem Programm und nicht nur einige.

Auch Flugangst kann mitunter ein Grund sein, warum jemand eine Reise bei Vai e via und nicht bei einem anderen Büro bucht.

Wolfgang ist sich bewusst, dass die Form von Reisen, die sie anbieten, ein Nischenprodukt darstellt, mit dem sie allerdings bis jetzt sehr gut gefahren sind. Weiters ist er aber auch der Überzeugung, dass so dem Reiseunternehmen gute Zukunftsperspektiven garantiert werden können. Er möchte sein Unternehmen zukunftsfest machen. Die Welt kann möglicherweise schon in 10 Jahren völlig anders aussehen. Wenn sich erste Engpässe in der Ölversorgung oder erheblich Steigerungen der Energiepreise ergeben, kann dies große Auswirkungen auf das Reiseverhalten der Menschen in Zukunft haben. Flugreisen sind dann vielleicht out, hingegen Landreisen können möglicherweise weiterhin angeboten werden. Wenn die Beschleunigung abnimmt, kann es wieder dazu kommen, dass die Leute weniger reisen, dafür aber länger und auf dem Landweg. Wolfgang ist selbst bereits dreimal auf dem Landweg nach Asien gefahren. Ein Reiseangebot der Zukunft könnte z.B. eine dreimonatige Reise nach Indien auf dem Landweg sein.

Bezüglich Reiseleiter hat Wolfgang vor allem betont, dass sie sich auf einem Gebiet besonders gut auskennen sollten. Das kann die Politik, die Kultur oder auch die Botanik eines Landes sein. Die Routine kann schon von Vorteil sein; es können sich bei all zu viel Routine aber auch Nachteile ergeben: Begeisterungsabfall und Abnutzungserscheinungen. Wenn mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren wird, ist es wichtig, dass der Reiseleiter über die notwendige Erfahrung dafür verfügt.

Unter sozialverträglichem Reisen versteht man bei Vai e via, dass im bereisten Urlaubsland eine gewisse Wertschöpfung zurückbleibt, Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und Begegnungen zwischen den Reisenden und der einheimischen Bevölkerung ermöglicht werden. Deshalb werden Unterkunftsbetriebe in Anspruch genommen, die mit der Region verwurzelt sind und Partner ausgesucht, die ein gewisses gesellschaftliches Engagement an den Tag legen. Es wird ein fairer Umgang mit Umwelt und Mensch gesucht, damit der Tourismus für die Reiseländer nicht zu einer Belastung ausartet. Dadurch würde nämlich auf die Dauer die Basis des Tourismus zerstört. Dies hat man mittlerweile allgemein in der Tourismusbranche erkannt und es tut sich auch Einiges in dieser Hinsicht, aber leider handelt es sich noch all zu oft um reine Greenwashing-Aktionen.

Zur Begegnung zwischen den Reisenden und den Bereisten ist noch zu sagen, dass diese vor allem in jenen Gegenden besonders fruchtbar und bereichernd sein können, die touristisch noch wenig durchdesignt sind. Es ist dort aber auch mehr Aufwand notwendig, damit diese entstehen können.

Über die Thematik Individualreisen und Gruppenreisen wurde weiters diskutiert. Eine Entscheidung für das eine oder das andere hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Individualreisen kann auch sehr wenig nachhaltig sein. Wenig sich jemand für eine Gruppenreise entscheidet, dann hat das sehr oft damit zu tun, dass man sich die Organisationsarbeit und damit Zeit ersparen will oder dass man sich die Organisation nicht zutraut.

Auch in Bezug auf Qualitäts- oder Massentourismus kann nicht grundsätzlich der eine oder als nachhaltiger betrachtet werden. Das hängt vielfach davon ab, was unter Qualität im Tourismus verstanden wird. Golf-, Jacht-, Wellness- und Zweitwohnungstourismus, der in der gängigen Meinung als hochqualitativ eingestuft wird, ist ganz und gar nicht nachhaltig. Diese Art von Tourismus fordert von einem Land sehr viel ab.

Die relativ kleinstrukturierte Tourismuswirtschaft in Südtirol hat sich bis heute gut erhalten und bewährt. Aber leider ist auch bei uns ein gewisser Konzentrationsprozess zu immer größeren Betrieben und vor allem zu Vier- und Fünfsternehäusern feststellbar. Dies kann zu einem Bumerang für Südtirol werden. Es lässt sich leichter in einem kleinstrukturierten System das intakte Sozialgefüge erhalten und dieses ist wiederum die Voraussetzung für eine gesunde Tourismuswirtschaft.