Gleich zwei Frauen führten uns in die Thematik „häusliche Gewalt und Frauenhäuser“ ein: Barbara Wielander, die Leiterin des Frauenhauses Brixen, sowie Anna Maria Spellbring, Beraterin in der Kontaktstelle des Frauenhausdienstes. An der Diskussionsrunde nahmen noch zwei weitere Mitarbeiterinnen des Frauenhauses teil: Christina Hofer und Renate Seeber.

Die ersten Fraueninitiativen, die sich mit dem Problem häusliche Gewalt auseinander setzten, waren rein privater Natur und gingen nicht von öffentlichen Stellen aus. Es waren engagierte Frauen, die mit viel Zivilcourage sich für dieses Anliegen einsetzten.

Später schritt auch der Gesetzgeber ein. So wurden die Frauendienste geschaffen, die eine Anlaufstelle für Frauen in verschiedenen Problemsituationen darstellen und entsprechende Beratungen anbieten. Auch das Angebot an Frauenhäusern wurde dadurch ausgebaut und institutionalisiert. Die ersten Frauenhäuser gingen auf Privatinitiativen zurück; das allererste entstand in England, weitere folgten in Deutschland und sie waren immer sofort voll belegt.

Heute sieht der Gesetzgeber auf 10.000 Frauen die Errichtung jeweils eines Frauenhausplatzes vor. In Südtirol ist dieses Ziel bereits erreicht und die Frauenhäuser werden zu 100 % von der öffentlichen Hand finanziert. Ein bestimmtes Einzugsgebiet für ein Frauenhaus gibt es nicht. Grundsätzlich ist es besser, wenn Frauen nicht dort, wo sie leben, ein Frauenhaus aufsuchen, sondern an ganz einem anderen Ort, um so besser geschützt zu sein vor dem gewaltausübenden Mann.

Von Seiten der UNO ist häusliche Gewalt als Menschenrechtsverletzung anerkannt.

Dennoch muss festgestellt werden, dass die häusliche Gewalt nicht abnimmt. Im Schnitt erfährt jede dritte Frau mindestens einmal Gewalt in ihrem Leben. Betroffen sind alle Altersklassen. Vor allem in Konfliktsituationen oder bei schwierigen Bedingungen und Lebensumständen kann es zu gewalttätigen Handlungen kommen. Ist der Mann Unsicherheiten ausgesetzt, dann schlägt er zu. Oder ist er sprachlich nicht so gewandt wie sein Gegenüber, dann greift er ebenfalls nicht ungern zur Gewalt. Das Ablegen derartiger Verhaltensmuster ist äußerst schwierig. Auch in unserer Wohlstandsgesellschaft gibt es nur genug häusliche Gewalt und zwar in allen Schichten.

Teilweise sind die Gründe kulturell-historischer Natur. Denken wir an die so genannte körperliche Ertüchtigung, die als erzieherische Maßnahme bei uns noch bis in die jüngste Vergangenheit weit verbreitet und allgemein akzeptiert war. Auch religiöse Traditionen werden oft ausgeschlachtet, um Gewalt gegen Frauen zu rechtfertigen. Das Tragen einer Burka z.B. stellt eindeutig eine Demütigung der Frau dar. Auch in den christlichen Kulturkreisen gibt es zahlreiche religiöse Traditionen, die eindeutig frauendiskriminierend sind.

Das Erleben von Gewalt im Elternhaus bedingt ebenfalls oft, dass Menschen, als Erwachsene gegenüber ihren Partner oder ihren Kindern gewalttätig sind.

Oft geben Frauen nicht gerne zu, Gewalthandlungen ausgesetzt zu sein. Es ist nicht immer leicht für Frauen, aus dem Gewaltkreislauf auszubrechen. Zumeist ist Liebe im Spiel, die die Frau davon abhält, gegenüber dem Mann auf Distanz zu gehen. In den Frauenhäusern hat man die Erfahrung gemacht, dass Frauen teilweise zu ihren Männern zurückkehren, auch wenn diese immer wieder rückfällig werden (bis zu elfmal kann dies passieren).

Es werden verschiedene Formen der Gewalt unterscheiden. Neben der physischen (sicherlich die offensichtlichste Form von Gewalt) gibt es auch psychische, ökonomische und sexuelle Gewalt. Vor allem psychische Gewaltausübung (subtile Beschimpfungen, Drohungen, Beleidigungen, Schlechtreden, Eifersuchtsszenen usw.) kann große Schäden verursachen und dagegen ist es besonders schwer sich zur Wehr zu setzen.

Es braucht also mehr als Frauenhäuser, um dem Problem häusliche Gewalt beizukommen. Sie muss noch stärker verpönt werden in unserer Gesellschaft und dazu braucht es vor allem auch viel Zivilcourage. Es geht um einen Lernprozess. Bildung und Information sind von grundlegender Bedeutung.

Eine weitere Frage, die fast zwangsläufig im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt auftaucht, ist: was wird für Männer getan, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind? Solche Fälle soll es ja auch geben, möglicherweise sind sie sogar häufiger als allgemein angenommen wird. Gewalt gegen Männer ist allerdings kein großes Thema in unserer Gesellschaft. Männer, die Gewaltsituationen ausgesetzt sind, machen dies kaum einmal zum Thema, weshalb in diesem Zusammenhang von einer gewissen Dunkelziffer ausgegangen werden muss.

Nun, es gab in Bozen schon einmal ein so genanntes Männerhaus, aber es war fast immer leer, weshalb es wieder geschlossen werden musste. Ganz generell hat der Mann scheinbar erhebliche Schwierigkeiten, bekannt werden zu lassen, dass er einer Gewaltsituation ausgesetzt ist. Dies hat sicher einmal damit zu tun, dass in unserer Gesellschaft nach wie vor patriarchale Vorstellungen weit verbreitet sind und dass die Solidarität unter den Männern diesbezüglich weniger stark ausgeprägt ist; im Gegenteil der Mann muss befürchten, dass er sich möglicherweise dem Gespött anderer Männer aussetzt.

Gemäß der offiziellen Gewaltstatistik sind allerdings 90 – 95 % der Opfer von Gewalthandlungen Frauen und Kinder. Zu Gewaltsituationen gegenüber Männern kommt es vor allem zwischen Väter und Söhnen sowie gegenüber Homosexuellen. Bei Kindern kann oft auch bereits das Miterleben von Gewalt schwerwiegende Folgen für deren psychische und physische Gesundheit nach sich ziehen.

Auch wenn Gewalt gegen Männer kaum ein gesellschaftliches Thema ist, so muss diese genauso verurteilt werden. Ganz generell tragen Menschen aus Gewaltsituationen schwere physische und psychische Schäden davon mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Volksgesundheit und in weiterer Folge auf die Volkswirtschaft sowie ganz allgemein auf das Funktionieren der Gesellschaft.

Ein Mittel gegen Gewalt ist Zivilcourage, das Einschreiten beim Erleben eindeutiger Gewaltsituationen, auch wenn diese psychischer Natur sind, wie z.B. das Beschimpfen von Kindern durch einen Turnlehrer. Es gilt, grundsätzlich Situationen, bei denen Gewalt im Spiel ist, aufzuzeigen und anzuprangern.