Es war ein sehr angenehmer Abend, mit Theodor Rifesser über die ladinische Schule zu plaudern. Eins ist dabei wohl den meisten von uns bewusst geworden: wir wissen relativ wenig über die kleinste Sprachgruppe in unserem Land und deren kultureller Entwicklung. Aber die Neugier war groß und Theodor schöpfte aus seinem reichen Erfahrungsschatz, den er sich im Laufe der Zeit über die ladinische Schule und insgesamt über die ladinische Sprachgruppe angeeignet hat; er ließ kaum eine Frage offen.

Theodor Rifessers Arbeitsleben war und ist mehr oder weniger zur Gänze mit der Schule verbunden. Zuerst war er Lehrer, dann arbeitete er als Schulpsychologe und seit 20 Jahren leitet er nun das ladinische pädagogische Institut.

Zuerst schilderte uns Theodor die Geschichte der ladinischen Schule; er ging dabei bis in das 19. Jahrhundert zurück. Ende des 19. Jahrhunderts gab es den so genannten Enneberger Schulstreit. Für viele war die Schule in jener Zeit in den ladinischen Tälern zu „deutschlastig“. Es gab keinen Italienischunterricht. Vor allem aus kirchlichen Kreisen wurde diese Kritik angebracht. In der Kirche wurde nämlich Italienisch gesprochen. Die ladinischen Priester studierten allesamt in Trient. Sie vermissten aber genügende Italienischkenntnisse bei der ladinischen Bevölkerung. Daraufhin wurde, zuerst in den Gadertaler und dann auch in den Grödnern Schulen, neben Deutsch auch Italienisch gelehrt.

Im 20. Jahrhundert hat es dann Zeiten gegeben, in denen einmal die deutsche und einmal die italienische Sprache vorherrschte. Während des I. Weltkriegs wurde nur in Deutsch gelehrt, in der Zeit des Faschismus daraufhin nur Italienisch. In den ladinischen Tälern hat es kaum Katakombenschulen gegeben, wohl auch aus dem Grund, weil das Ladinische nicht so verboten war, wie das Deutsche. Als dann im Jahre 1943 Norditalien dem Hitlerdeutschland einverleibt wurde, war die Unterrichtssprache wiederum Deutsch.

Nach Ende des II. Weltkrieges ging ein Streit (der ca. drei Jahre dauerte) darüber los, welche Sprache in der ladinischen Schule vor allem zum Zuge kommen soll: Deutsch oder Italienisch. Das Ladinische zu favorisieren kam für kaum jemanden in Frage, scheinbar war damals das ladinische Selbstbewusstsein dafür zu schwach ausgeprägt, auch wenn Inspektor Ferrari für das Ladinische eintrat.

Schließlich traf Minister Gonella im Jahre 1948 die salomonische Entscheidung, die Hälfte des Unterrichts auf Deutsch und die andere Hälfte auf Italienisch abzuhalten. Pädagogische Überlegungen spielten dabei keine Rolle.

Es gab dann Bemühungen, bei der Alphabetisierung die ladinische Sprache zu benutzen. Aber das konnten sich die Eltern der Schüler nicht vorstellen und schickten deshalb kurzerhand ihre Kinder nicht mehr in die Schule. Es herrschte in den ladinischen Tälern die Meinung vor, dass es vor allem wichtig sei, möglichst gut und möglichst früh Deutsch und Italienisch zu lernen; das Ladinische lernen sie eh von zu Hause aus. Man einigte sich schließlich darauf, dass die Alphabetisierung auf Italienisch erfolgte. Später in den Siebziger Jahren dann wurde die Möglichkeit geschaffen, die Alphabetisierung auch auf Deutsch abwickeln zu können. Die Grödner Grundschulen schwenkten daraufhin der Reihe nach auf die deutsche Alphabetisierung um, so dass heute in sämtlichen Grundschulklassen in Gröden im ersten Schuljahr die deutsche Sprache vorherrscht. Im Gadertal hingegen erfolgt die Alphabetisierung zur Gänze auf Italienisch.

Bezüglich des Artikels 19 und dem Recht auf Schule in der Muttersprache wird in den ladinischen Tälern auch für die Deutschsprachigen befunden, dass die deutsche Sprache genügend gelehrt wird.

Die paritätische Schule in den ladinischen Tälern

Mit Ausnahme des ersten Schuljahres (siehe oben) erfolgt der Unterricht zur Hälfte auf Deutsch und zur Hälfte in Italienisch. Daneben wird auch noch Ladinisch unterrichtet: in der Grundschule zwei Stunden in der Woche und in der Mittel- und Oberschule eine Stunde. Weiters kann das Ladinische auch immer als Erklärungssprache genutzt werden. Grundsätzlich wollen die Lehrer aber möglichst wenig von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn auch im Gadertal, dies eher der Fall ist. Vor allem in Gröden gilt Deutsch als eine Prestigesprache, die es wichtig ist zu lernen und die auch schwerer zu lernen ist, weshalb man möglichst früh und möglichst intensiv damit beginnen soll.

In der Grundschule wird in der Regel eine Woche lang in der einen Sprache und in der nächsten Woche dann in der anderen unterrichtet. Dies kann immer derselbe Lehrer oder dieselbe Lehrerin sein oder es wechseln sich die LehererInnen von verschiedenen Klassen ab. In diesem Fall gibt es dann von einer Woche auf die andere nicht nur einen Sprachenwechsel sondern auch einen Lehrerwechsel. Im Teamunterricht heute kann die Aufteilung auch anders aussehen, nämlich, dass ein/e LehrerIn nur auf deutsch und die/der andere LehrerIn nur auf italienisch spricht.

LehrerInnen müssen die Dreisprachigkeitsprüfung A ablegen, sonst darf man nicht unterrichten in der ladinischen Schule. Weiters müssen sie die ladinische Muttersprachenerklärung machen; dies ist einmal zu tun und kann auch ad hoc erfolgen. Eine normale Sprachgruppen-zugehörigkeitserklärung reicht nicht aus, um in die Stammrolle zu kommen.

In der Mittelschule hingegen wird die Hälfte der Fächer auf Deutsch und die andere Hälfte auf Italienisch unterrichtet: die technisch-naturwissenschaftlichen Fächer in Deutsch und die geisteswissenschaftlichen auf Italienisch, mit Ausnahme Geschichte. Dieses Fach wird auf Deutsch absolviert, da die Italiener die Tiroler Geschichte nicht kennen. Der Religionsunterricht erfolgt in allen drei Sprachen.

In den Oberschulen (in den ladinschen Tälern gibt es zwei Handelsoberschulen, ein Lyzeum und die Kunstschule) ist die Aufteilung der Fächer von Schule zu Schule verschieden.

Auf der Universität gibt es in der Fakultät für Bildungswissenschaften in Brixen (Ausbildung der GrundschullehrerInnen und KindergärtnerInnen) neben der deutschen und italienischen auch eine ladinische Abteilung, in der die Geschichte, Kultur und der Werdegang der ladinischen Täler gelehrt wird.

In den Kindergärten des Grödner- und Gadertales wird vor allem Ladinisch gesprochen. Es werden die Kinder aber auch auf spielerischer Weise in die anderen beiden Sprachen eingeführt.

In Graubünden gibt es bereits seit 1980 eine Amtssprache (neben den fünf Idiomen).

Die Gemeinden haben die Schulautonomie und können grundsätzlich selbst darüber befinden, wie die Schule ausgerichtet sein soll.

Es gibt aber eine Schulgrundform, in der in den ersten vier Schuljahren nur Romanisch unterrichtet wird und ab der fünften Klasse auf Deutsch umgestellt wird mit Ausnahme des Faches Naturkunde, das weiter in Romanisch unterrichtet wird. Darüber hinaus bleiben auch noch zwei Wochenstunden Romanischunterricht. In einigen Schulen werden die Fächer aber auch paritätisch auf die beiden Sprachen Deutsch und Romanisch aufgeteilt.

Insgesamt gibt es in Graubünden ca. 60.000 Romanischsprechende und in den Dolomitentälern 35.000 Ladinischsprechende, davon 20.000 in Südttirol.

In Südtirol ist es noch nicht gelungen eine Amtssprache einzuführen (ausgearbeitet wäre sie bereits). Bei der Erstellung der Amtssprache werden die häufigsten, typischsten und regelmäßigsten Formen verwendet. Gegen diese Amtssprache, das Ladin Dolomitan, gibt es gewisse Widerstände, sie wird jedenfalls politisch nicht unterstützt. U.a. wird oft angeführt, dass mit dieser Amtssprache die Idiome verloren gehen könnten. Dies stimmt aber ganz sicher nicht, eher das Umgekehrte wäre wahrscheinlich der Fall, wie dies auch das Beispiel Graubünden unter Beweis stellt.

Eine gewisse Schulform, wie z.B. die paritätische Schule der Ladiner, kann nicht einfach auf andere Realitäten, wie z.B. die deutsche Schule in Südtirol übertragen werden. Die verschiedenen Volksgruppen in unserem Land haben eine unterschiedliche Geschichte hinter sich: Auch die unterschiedliche Bedeutung des Tourismus wird in diesem Zusammenhang eine gewisse Rolle spielen. Es mehren sich allerdings die Stimmen dazu, dass wenigstens einige Fächer in der anderen Sprache unterrichtet werden. Im Zusammenhang mit dem Clillsystem hat man vor, zumindest ein Fach in englischer Sprache zu unterrichten. Dies stünde nicht im Widerspruch zum Artikel 19 des Autonomiestatutes.