Der Referent Stefano Perini stellte sich und seinen Werdegang vor:

Er habe Wirtschaftspolitik studiert und sei dann zuerst mit Hans Glauber im Ökoinstitut tätig gewesen. Darauf wechselte er kurz zur Astat, und nun sei er seit Längerem im WIFO im Bereich Wirtschaftsinformation und Konjunkturerhebungen tätig.

In der Einführungsrunde wurden zahlreiche spezifische Fragen gestellt.

So kamen Fragen zu den Wirtschaftsprognosen, wie realistisch sie seien, zum Bankenwesen, zu den Parametern nach denen die Handelskammer immer noch behauptet, dass die Kaufkraft der Lohnabhängigen kontinuierlich gestiegen sei. Weiters wollte man wissen ob es möglich sei, die direkte und indirekte Unterstützung der Wirtschaft zu quantifizieren, wie die Gewerkschaften verlangen können, dass die Kaufkraft ihrer Mitglieder immer steige auf Kosten der Konkurrenzfähigkeit, ob es ein Wirtschaftsmodell Südtirol überhaupt gäbe.

Stefano Perini trug zuerst einige Eckdaten zu Südtirol vor:

Südtirol habe ein eher kleinstrukturiertes Wirtschaftssystem, mit 40.000 Betrieben. 26 davon teilen sich 50% des Exports, 200 davon 90%.

Das Land ist zwar nur über wenige Wirtschaftszweige bekannt, steht aber, bei einem genaueren Hinsehen, breit gefächert mit vielen Tätigkeitsbereichen da.

Der Tourismus macht in etwa 15% des  BIP, die Landwirtschaft 5% aus. Es sind aber auch Industrie, Verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe, Großhandel, Einzelhandel, eine bedeutende öffentliche Verwaltung, private Dienste (Banken, Versicherungen, Freiberufler…) und persönliche Dienste (Fittness, Schönheit…) vorhanden.

Die Kleinstrukturierung und die weite Fächerung der Bereiche macht Südtirol vorerst krisenresistenter als andere Länder. Die erste Krise im Jahre 2009 wurde recht gut überstanden. Die Südtiroler Banken investieren vorrangig in der lokalen Realwirtschaft und sind daher mit dem Land stark verwurzelt. Pensplan hingegen investiert mehr auf den Finanzmärkten, und so sind dessen Renditen stärker den Kapriolen der internationalen Wirtschaft ausgesetzt.

Südtirol hat ein etwas eingeigeltes System, welches der Gefahr ausgesetzt ist, in Zukunft Chancen auf den globalisierten Markt zu verspielen.

Südtirol hat eine demokratiepolitische, aber auch geografische Sonderstellung:

  • Einerseits erhält das Land 90% der Steuergelder zurück und weitere 25% an Dienstleistungen, die vom Staat ausgerichtet werden (Gericht, Polizei, Finanzwache, diplomatische Beziehungen…). So entsteht ein Nettonutzen von 15%. Die Autonomie schafft die Möglichkeit, die Gesetze den lokalen Bedürfnissen anzupassen.
  • Andererseits hat das zweisprachige Grenzland einen Standortvorteil, wenn sich deutsche Betriebe nach Süden ausbreiten wollen. So haben sich mehrer große Firmen aus dem Ausland in Südtirol niedergelassen (Würth…)

Die Politik in Südtirol mag die Steuerhoheit nicht. So übernimmt Rom die ungute Aufgabe der Steuereintreibung und Bozen kann das Geld großzügig verteilen. Dadurch können sich die lokalen Politiker profilieren. Bis zur Zeit Berlusconis konnte Südtirol die Schwächen der italienischen Politik nutzen und als Zünglein an der Waage, vieles erreichen.

Die Sonderstellung die sich Südtirol erarbeitet hat wird aber langsam unterwandert.

Der Euro, die Globalisierung, die offenen Grenzen und der Internethandel konkurrieren stark mit der lokalen Wirtschaft. Besonders die EU kann diese Sonderbehandlungen Südtirols in Europa nicht rechtfertigen, und wird schön langsam die Privilegien abbauen.

Südtirol steht an 19. Stelle im Europa der 200 Regionen.

Es stellt sich die Frage ob wir fitt sind, bei den neuen Rahmenbedingungen noch gut zu bestehen.

Es gibt für alles einen Beitrag. Nun ist eine Entwöhnungskur fällig. Es wird der Landeshaushalt durchforstet. Am leichtesten ist es im Bereich Investitionen zu kürzen. Bei den laufenden Ausgaben ist dies schon schwieriger. Jedoch sind die Kürzungen bei den Investitionen der Wirtschaft nicht zuträglich.

Die internationale Finanzwelt wäre zu reformieren, aber Südtirol kann dabei keinen Einfluss nehmen.

Es wird viel von Vollautonomie gesprochen, und immer mehr Autonomie von außen gefordert. Intern ist das Land aber nicht in der Lage die Instrumente zu nutzen, die es bereits besitzt. Es geht  vorrangig darum, den Spielraum auszuschöpfen, der schon besteht. In den Bereichen Mobilität, Raumordnung, Tourismus, Förderungssystem, Handel, Bildung… ist Südtirol nicht in der Lage die Entwicklung zu steuern. Die Wirtschaft will wissen woran sie ist. Es sollen klare Linien gezogen werden. Das strategisch Wichtige soll unterstützt werden, die Wirtschaft ihren Spielraum erhalten, wo sie handeln darf und wo die Natur belassen werden muss. In Südtirol ist der Grund und Boden Mangelware. Daher sollen Betriebe angesiedelt werden, die nicht viel Grund zur Ausübung ihrer Tätigkeiten brauchen. Die Politik ist im Tagesgeschäft erstickt und bewältigt ihre wichtigsten Aufgaben nicht. Sie verteilt nur Geld, schafft aber keine allgemein gültigen Rahmenbedingungen in den Bereichen, wo sie zuständig ist.

Die Frage, wie viel die Politik Unternehmer sein soll, stellt sich seit eh und je. Je nach politischer Situation hat die Politik mehr oder weniger diese Rolle ausgeübt. Von der teils staatlichen Industrie und der vollkommen staatlichen Energieversorgung bis zu einer grenzenlosen Privatisierung hat es alles schon gegeben. Je nach Situation macht das eine oder das andere mehr Sinn. In der Diskussion stellte sich heraus, dass doch mehrere Beteiligte dem Staat bei der Führung der wichtigsten Infrastrukturen größere Qualitäten zutrauen als der Privatwirtschaft. Vertieft wurde das Thema aber nicht.

Die Fähigkeit der Südtiroler Familienbetriebe mit ihrem Hausverstand in schlechteren Zeiten über die Runden zu kommen, wurde angelobt.

Der Begriff Nachhaltigkeit wird gedeutet als Fähigkeit, die Bedürfnisse der jetzigen Generation zu befriedigen, ohne die zukünftigen Generationen zu belasten. Dies hat Priorität.

So schließt Stefano Perini damit; es gehe prioritär darum, Rahmenbedingungen zu schaffen um zukunftsfähig zu bleiben. Das Land braucht eine klare Ausrichtung und den Mut zu unpopulären Maßnahmen.

Wir haben über die Zeit hinaus diskutiert und sehr viele Aspekte angesprochen. Zum vertiefen hat die Zeit nicht gereicht. Klar ist geworden, dass Südtirol riskiert, die Situation zu unterschätzen und es versäumen könnte, rechtzeitig die Maßnahmen für die Zukunft zu setzen.