Die meisten von uns wünschen sich ein gesundes Leben, aber viele tun sich damit schwer. Der oder die eine isst all zu gern (zu viel, zu fett, zu viel Süßigkeiten, nicht regelmäßig), der oder die andere trinkt zu viel, raucht, hat zu wenig Bewegung oder schläft zu wenig. Die Liste der Sünden, die wir gegenüber unserer Gesundheit begehen, lässt sich noch um Einiges fortsetzen. Warum tun wir uns so schwer, auf unsere Gesundheit zu achten? Ist es der innere Schweinehund, ist es ein ungebremster Hedonismus, ist es nur einfach Faulheit oder mangelndes Wissen? Ja, es ließe sich noch eine lange Reihe von weiteren Gründen aufzählen.
Oft ist es erst der Beginn gewisser körperlicher Beschwerden und Gebrechen, die uns in die Bahnen eines achtsameren Lebensstils lenkt. Und da braucht es dann oft noch einen charismatischen Arzt, Heilpraktiker oder Gesundheitsguru, der imstande ist, uns einen gesünderen Lebenswandel zu empfehlen.
Sebastian Kneipp war so eine charismatische Figur. Er konnte Menschen heilen und sie davon überzeugen, dass nur ein ausgeglichener Lebensstil anhaltendes Wohlbefinden gewährleisten kann.
Helene Roschatt erklärte uns ausführlich die wichtigsten Säulen seiner Gesundheitslehre und der Kneippschen Weltordnung. Kneipp wirkte vor ca. 150 Jahren. Als Pfarrer war es ihm kein Leichtes, beide Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen. Von der Kirche wurde er angehalten, sich auf seine seelsorglichen Aufgaben zu konzentrieren. Die Ärzteschaft witterte in ihm bald eine gefährliche Konkurrenz, da seine Methoden Erfolg hatten und so den Ärzten Kunden entzogen wurden. Es half auch nichts, als man ihn in einen entlegenen Ort verbannte. Da er vielen, die mit gewissen Leiden zu ihm kamen, Genesung oder Linderung verschaffen konnte, waren der Zulauf und auch der Zuspruch für ihn aus der Bevölkerung sehr groß, so dass er sein medizinisches Wirken fortsetzen konnte. Sein Fall landete schließlich sogar beim Papst. Dieser – in Kenntnis gesetzt über die Erfolge der Kneippschen Gesundheitslehre – ließ ihn allerdings ebenfalls seine Tätigkeiten im medizinischen Bereich weiter ausüben. Interessant ist bei ihm auch seine soziale Ader. So war seine Tarifgestaltung für die Behandlungen sehr unterschiedlich und abgestimmt auf die Mittel, die jemand zur Verfügung hatte.
Kneipp hatte eine für seine Zeit eine relativ revolutionäre Auffassung von Gesundheit und Heilen. Er versuchte den Menschen in seiner Gesamtheit zu sehen. Sein ganzheitlicher Ansatz beruht auf fünf ineinander wirkende Prinzipien:
- Wasser
- Heilkräuter
- Ernährung
- Bewegung
- Lebensordnung
Im Mittelpunkt der Heilmethoden von Sebastian Kneipp steht das Wasser. Die Wasseranwendungen sind es auch, mit denen die breite Bevölkerungsschicht ihn in Verbindung bringt. Am bekanntesten ist das Wassertreten, das Kneippen, wie es nach ihm benannt wird. In der Kneippschen Heilslehre kommen aber noch zahlreiche weitere Methoden auf der Basis von Wasser vor. Im Folgenden die wichtigsten Anwendungen:
- Wassertreten (im kalten Wasser oder abwechselnd im kalten und warmen Wasser)
- Tauwandern
- Güsse (kalte und warme Wassergüsse auf bestimmte Körperteile)
- Bäder (Arm-, Fuß-, Halbkörper- oder Ganzkörperbäder, auch mit unterschiedlichen Temperaturen)
- Wickel (kalte, warme, abwechselnd kalte und warme)
- Bauchwaschen (eine besondere Methode gegen die Schlaflosigkeit: mit einem nassen, kalten Tuch reibt man sich zehnmal im Uhrzeigersinn den Bauch)
Wichtig ist, sofern es sich um kalte Anwendungen handelt, dass sich der Körper danach wieder möglichst rasch erwärmt; sonst könnte es kontraproduktiv sein.
Dazu muss gesagt werden dass, die meisten dieser Wassermethoden in der Zeit, als Kneipp wirkte bereits bekannt waren. Die Bäderkultur hatte sich bereits relativ weit entwickelt. Kneipps Verdienst war es, all diese Wasserkuren zusammenzutragen, sie systematisch zu ordnen, sie mit anderen Heilmethoden in Verbindung zu bringen und sie zu verbreiten. Er reiste viel, stets auf der Suche nach neuen Heilmethoden und immer bestrebt seine Erfahrungen weiterzugeben.
Das zweite Standbein der Kneippschen Gesundheitslehre sind die Kräuter. In dieser Hinsicht konnte Kneipp ebenfalls bereits auf einen großen, bereits vorhandenen Erfahrungsschatz zurückgreifen und es gelang auch bei diesen Heilmethoden die Systematik auszubauen; Ringelblume, Katzenschwanz, Frauenmantel, Johanniskraut um nur einige wichtige Heilpflanzen zu nennen und vor allem natürlich sein Lieblingskraut Arnika, das er sehr vielseitig einsetzte.
Zum Thema Bewegung – die dritte Säule dieser ganzheitlichen Gesundheitsphilosophie – ist folgende Aussage von Sebastian Kneipp bekannt: „Untätigkeit schwächt, Übung stärkt, Überlastung schadet.“ So verordnete er seinen Patienten regelmäßiges Holzhacken und Dreschen. Bewegung steigert das Wohlbefinden nachhaltig und stärkt die Körperkräfte.
Bei seinen Ratschlägen zur Ernährung geht es primär um eine ausgewogene Kost und er plädiert für sehr viel Getreide, Gemüse, Obst und Milchprodukte. Auf jeden Fall sollte mehr von der Pflanze als vom Tier kommen. Kneipp hat sich bereits zu seiner Zeit ganz entschieden gegen das weiße Mehl, das damals immer mehr aufkam, ausgesprochen. Wichtig ist bewusst und regelmäßig zu essen, nicht zu viel und nicht zu wenig. Es geht ihm aber nicht um Askese, der Genuss beim Essen darf nicht zu kurz kommen.
Zur Kneippschen Lebensordnung gehören schließlich noch eine ganze Reihe verschiedener Grundsätze, die alle mit gesundem Leben und Wohlbefinden zu tun haben. In der Folge eine kurze Aufstellung davon:
- Gesundes Wohnen ist wichtig. Dazu gehören Lüften, Kalken, Aufräumen, Sauberhalten usw.
- Ausreichend und regelmäßig Schlafen ist auch eine Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben.
- Kinder sollen nicht den Beruf der Eltern erlernen, es ist deshalb wichtig bei der Berufswahl auf die eigentlichen Fähigkeiten und Eignungen der Kinder zu achten. Kneipp wird ein großes Herz für Kinder nachgesagt.
- Tiere sollen gut behandelt werden.
- Werte, wie Nächstenliebe, Großzügigkeit, Zufriedenheit, leben.
- Grundsätzlich die Ausgeglichenheit suchen und Stress vermeiden.
- An Gott glauben.
Heute feiert die Kneippsche Gesundheitslehre wieder eine gewisse Renaissance. In Deutschland kommen die verschiedenen Kneippvereine auf 600.000 eingeschriebene Mitglieder. In der Gesundheitserziehung in den Schulen finden deren Grundsätze Eingang. Auch Südtirol hat seinen Kneippverband. Die modernste Kneippanlage Südtirols befindet sich im Kurpark in Niederdorf und es gibt noch zahlreiche weitere Anlagen in verschiedenen Orten unseres Landes: Vahrn, Sand in Taufers, Ahrntal, Sarntal, Altrei, Sulden, Prissian, St. Felix. Wiesen, Meransen.
Ganz wichtig ist der präventive Ansatz bei dieser Gesundheitsphilosophie. Es geht darum durch die verschiedenen Anwendungen die Abwehrkräfte zu stärken, den Körper abzuhärten und bei Erkrankungen den natürlichen Heilungsprozess zu fördern.
In der Diskussion tauchte natürlich auch wieder, wie bei all diesen Themen, bei denen es um Alternativmedizin oder althergebrachten Behandlungsmethoden geht, die Frage auf, wie weit diese Heilungsmethoden wissenschaftlich abgedeckt sind. Dazu ist zu sagen, dass die Wirksamkeit einiger Anwendungen und Methoden mittlerweile sehr wohl wissenschaftlich nachgewiesen ist, allerdings nicht bei allen. Für die Verfechter der Kneippschen Lehre bedeutet dies allerdings noch lange nicht dass sie deshalb verworfen werden müssen. Wichtig ist, dass sie wirken, selbst wenn die Wirkung auf einen Placeboeffekt beruhen sollte. Ganz nach dem Motto „Wer heilt, hat recht.“ Schließlich wurde darauf verwiesen, dass selbst die Schulmedizin mit Placebos arbeitet, wie dies bei sehr vielen Antidepressiva der Fall ist. Weiters wird geschätzt, dass von den schulmedizinischen Methoden nur etwa 40 % wissenschaftlich belegt sind.
Bis auf den letzten Absatz hab ich kaum was auszusetzen (vieles ist durchaus plausibel und auch bekannt), dann wirds leider etwas arg.
Zum Motto: „Wer heilt, hat recht.“:
http://www.esowatch.com/ge/index.php?title=Wer_heilt_hat_Recht
Was die Frage „Wieviel Medizin ist evidenzbasiert?“ angeht, so sind die Daten sehr unterschiedlich, von 10 – 80%, je nachdem.
(Quelle: http://www.medizinevidenz.de/)
Die Frage ist, woher die angegebenen 40% kommen. Wenn man sich hierbei auf einen Artikel in der Geo-Zeitschrift bezieht, dann sollte man das gelesen haben:
http://blog.esowatch.com/?p=4229
Demnach wird dieser Wert deswegen erreicht bzw. kein höherer, weil in der entsprechenden Arbeit auch die Alternativmedizin dabei ist.
Der letzte Absatz stört mich auch. Eventuell kommen die 40% wirklich aus dem GEO-Artikel. Cool finde ich, dass da die Alternativmedizin mit drin sein soll, dann wäre die Angabe des Wertes als Seitenhieb auf die Schulmedizin ja ein kompletter Rohrkrepierer…
Bezüglich des wissenschaftlichen Nachweises möchte ich darauf hinweisen, dass im Moment Studien an der Charité-Uniklinik in Berlin im Bereich Kneippen bei Kindern und Kneippen in der Pflege laufen. Bin gespannt, was dabei rauskommt?
die Berliner Charite? wenn da bloß nicht Claudia Witt wieder dabei ist, denn dann steht das Ergebnis wohl jetzt schon fest…