Nach langen Überlegungen zur Sinnhaftigkeit einer privaten Rückblende in die eigene Jugendzeit ist der Beschluss gefasst worden, die persönliche Variante der sogenannten Zeitkapsel zum Thema eines (wissenschaftlichen?) Blog-Artikels zu machen.
Nach dem Verschlingen der verfüg- und erreichbaren (populärwissenschaftlichen) Sekundärliteratur zum Thema Zeit und Zeitreisen (die 80er-Jahre des vergangenen Jahrtausends boten einem 15-Jährigen nur sehr begrenzte Möglichkeiten für derartige Gedanken) erschien eine Möglichkeit zur Kommunikation mit eventuellen Zeitreisenden mit vertretbarem Aufwand machbar: Unter der (naiven?) Annahme, dass es der Menschheit irgendwann gelingen wird, alles zu erreichen, sollte auch die Reise in der Zeit früher oder später in den Bereich des Möglichen rücken. Will man also mit der zeitreisenden Menschheit in Kontakt treten, müsste es eigentlich reichen, eine Botschaft so gut zu verpacken, sicher zu versiegeln und tief zu vergraben, dass sie erst ausgegraben wird, wenn ebendieser Traum der Reise in der Zeit allgemeines Menschheitswissen ist.
Zeitkapsel mit Auto: Rostiger Plymouth Belvedere aus dem Jahr 1957. |
Dieses reine „in Kontakt Treten“ mit einer entsprechend weit entfernten Zukunft mag ja noch möglich sein, wenn beim Entwurf der Zeitkapsel und der Wahl des Verwahrungsortes entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Wirklich herausfordernd ist wohl neben einer passenden Einladung vor allem die Lösung der sich unweigerlich ergebenden Paradoxa, die aus der Verletzung der Kausalität resultieren. Nichtsdestotrotz sollte eine ebenso einfache wie freundliche Botschaft die Zeitreisenden dazu bewegen, sich aus der Zukunft in die primitive Vergangenheit des Jahres 1983 zu begeben:
Hallo ihr da in der Zukunft!
Wie geht es euch? Ich hoffe gut! Ich bitte euch, in meine Zeit zurückzukommen, falls es euch irgendwie möglich ist. Kommt bitte in die 2. Hälfte des Jahres 1983. Den Grund erfahrt ihr, wenn ihr kommt.
Als Erkennungszeichen musste ein alter Fernseh-Widerstand herhalten. Jeder kann sich denken, was passiert ist: Das Jahr 1983 ging vorbei, ohne auch nur im geringsten durch den Besuch von Zeitreisenden versüßt zu werden, die Sache geriet in Vergessenheit. Jetzt lässt sich vortrefflich über die Sinnhaftigkeit des ganzen Unterfangens streiten, auch wenn durch Everetts Vielweltentheorie die ganze Sache zumindest prinzipiell widerspruchsfrei lösbar werden würde (wir sehen mal von der Motivation ab, die ein Zeitreisender haben könnte, einem 15-Jährigen auf Anfrage einen Besuch abzustatten). Wie sich später zeigte, hat Edward H. Gandy in seiner SF-Kurzgeschichte „Graveside Watch“ eine ähnliche Problematik thematisiert, für die Anlockung der Zeitreisenden allerdings einen weitaus vielversprechenderen Weg gewählt.
Zwischenzeitlich ist die nächste Generation herangewachsen, für welche vergrabenen Schätzen oder gar Zeitkapseln eine ebenso große Faszination innewohnt. Vor Kurzem nun war die Neugier bei Elternteil und Nachwuchs so groß geworden, dass die vor nunmehr 26 Jahren vergrabene Zeitkapsel ans Tageslicht geholt werden musste:
Aktion Zeitkapsel: Die einzelnen Schritte der „Bergung“. |
Aus heutiger Sicht mag die einfache Verpackung verwundern, zeigte doch das beigelegte Blatt Papier deutliche Spuren von Schimmel. Auch wenn die ganze Aktion einen David Deutsch freuen würde, der wahre Grund für das Ausbleiben der Besucher aus der Zukunft ist nun klar: Die Kapsel wurde zu früh ausgegraben!
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