Sport begeistert zwar einerseits zahlreiche Gemüter, andererseits gibt es aber auch viele Menschen, für die Sport keinerlei Bedeutung hat und deshalb dafür wohl auch kaum ein Interesse dafür aufbringen. Ich hatte deshalb schon ein paar Zweifel, ob Sport ein abendfüllendes Thema für unsere Diskussionsrunde sein kann. Meine Zweifel wurden nicht bestätigt, im Gegenteil, das Thema bescherte uns einen besonders lebendigen Diskussionsabend, der uns aufzeigte, wie vielschichtig die Thematik rund um den Sportbetrieb ist und wie tief der Sport unser Gesellschaftssystem durchdringt. So mancher, der sich denkt, damit habe er ganz sicher gar nichts zu tun, kann von heute auf morgen plötzlich eines ganz anderen belehrt werden.
Mit Peter Perez haben wir sicherlich keinen klassischen Sportfunktionär zu unserem Treffen eingeladen, aber dennoch jemanden, der einen guten Einblick in das Sportgeschehen hat und zwar nicht nur aus der Warte eines passiven Zuschauers und Beobachters, sondern auch als jemand, der mitten im Sportgeschehen steht. Er ist selbst kein aktiver Leistungssportler und war es auch nie, kriegte aber als Bruder von Bibiana Perez, für die er auch zeitweise die PR-Arbeit leistete, Einiges von der Welt des Sports mit, vor allem auch wie das Leben einer Leistungssportlerin aussieht. Bibiana Perez konnte immerhin einige stolze Ergebnisse im alpinen Skiweltcup erzielen. Insgesamt sechsmal fuhr sie aufs Podest, darunter gab es auch einen ersten Platz in der Kombination.
Heute ist Peter über den Damenfußball mit dem Sport verbunden. Er ist als Pressesprecher für die PR-Arbeit des Damenfußballvereines CF SÜDTIROL VINTL DAMEN zuständig, nachdem er mehrere Jahre auch dessen Vizepräsident war.
Der Damenfußball ist eine Sportwelt für sich und hat nicht viel mit dem Herrenfußball zu tun; man kann sie fast als zwei verschiedene Sportarten betrachten. Frauen spielen wesentlich langsamer, aber eleganter. Das kraftvolle Spiel der Männer wirkt völlig anders. Eine Frauenmannschaft wird gegen eine Männermannschaft kaum eine Chance haben. Auch ein Erstligist in der nationalen Frauenfußballmeisterschaft wird mit großer Wahrscheinlichkeit gegen eine Herrenmannschaft einer Amateurliga kaum eine Chance haben. So mancher eingefleischter Fußballfan, der gewohnt ist Herrenfußball zu sehen, wird möglicherweise Damenfußball gar nicht schön und interessant finden. Die Zuschauerzahlen bei den Spielen halten sich in Grenzen und eine Profiwelt (wie dies bei den Männern schon ab der zweiten Division zutrifft) gibt es beim Damenfußball so gut wie nicht (jedenfalls bis heute nicht, wobei gesagt werden muss, dass es sich um eine sehr junge Disziplin handelt). Was Peter noch beobachtet hat, ist, dass bei uns der Stellenwert der Frau ein höheres Niveau erreicht hat als im restlichen Italien. Nichtsdestotrotz muss gesagt werden, dass auf rein sportlicher Ebene der Frauenfußball in den norditalienischen Metropolen weiter entwickelt ist als in Südtirol (diesen Mannschaften stehen einfach mehr Mittel zur Verfügung als bei uns). Der CF SÜDTIROL VINTL DAMEN ist leider nach einer Saison in der ersten nationalen Liga wieder in die zweite Liga abgestiegen.
Wieso spielen Frauen überhaupt Fußball?
Peter ist überzeugt, dass das Spielen mit einem Ball etwas ganz Natürliches ist. Buben wie Mädchen können daran Freude finden. Wenn man einem Kind einen Ball gibt, wird es sich damit zu unterhalten wissen (egal ob Mädchen oder Bub), wenn auch vielleicht nicht ganz auf derselben Art und Weise.
Für Peter steht der soziale, pädagogische und ganz allgemein der gesellschaftliche Aspekt beim Sport im Vordergrund. Mannschaftssportarten spielen diesbezüglich eine besonders wichtige Rolle. Es kann dadurch das Gemeinschaftsleben und ganz allgemein das soziale Verhalten gefördert werden. Sport dient der Vorbeugung Bezug auf Gewalt gegen Frauen und trägt mit dazu bei dem Alkoholproblem, das bei gewissen Gruppen von Jugendlichen und in zunehmendem Maße auch bei Mädchen ein gewisses Problem darstellt, Herr zu werden.
Es gab in diesem Zusammenhang aber auch einige kritische Bemerkungen von Seiten der Diskussionsteilnehmer. Unter gewissen Umständen kann es passieren, dass gerade bei Sportgruppen sich die Gewohnheit, Alkohol zu trinken, einschleicht und durch die Gruppendynamik noch verstärkt wird. Die Regel wird es aber wohl nicht sein, denn wer Leistungen im Sport erbringen will, kann es sich wahrscheinlich nicht leisten, regelmäßig tief ins Glas zu schauen.
Für die persönliche Entwicklung, auf die der Sport einwirken kann, sind noch eine Reihe anderer Aspekte anzuführen. Z.B. lernen Kinder, durch die regelmäßige Ausübung einer Sportart, sich für etwas durchzukämpfen, auf andere Dinge zu verzichten, um ein sportliches Ziel zu erreichen, sowie ganz allgemein zielgerichtet und strebsam zu sein. Im Leistungssport werden allerdings einige dieser positiven Eigenschaften auf die Spitze getrieben und die sportliche Tätigkeit selbst kann geradezu Suchtcharakter erhalten. Dies ist wohl der Grund, warum so mancher erfolgreicher Leistungssportler (z.B. Ex-Skirennläufer Peter Runggaldier) seinen Kindern nicht empfiehlt, diese Laufbahn einzuschlagen.
Sport ist auch oft mit Niederlagen verbunden, deshalb wird eine weitere Tugend herausgefordert, nämlich die Fähigkeit verlieren zu können.
Schließlich kann Sport einen wichtigen und interessanten Ausgleich anbieten für den Stress, den leider auch in zunehmendem Maße Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind durch Schule und verschiedene andere Verpflichtungen. Kinder haben heute vielfach einen kaum weniger dichten Stundenplan als die Erwachsenen. Damit Sport diese Ausgleichsfunktion erfüllen kann, müssen die sportlichen Aktivitäten unter möglichst wenig Leistungsdruck betrieben werden, ansonsten werden Stress und Belastung der Kinder nur noch verstärkt. Kein Zweifel besteht jedenfalls darüber, dass ausreichend Bewegung dazu beiträgt, Körper und Geist in ein gutes Gleichgewicht zu bringen (mens sana in corpore sano).
Beim Leistungssport stehen diese Dinge nicht im Vordergrund: es geht um den Wettkampf und ums Business. Sportfunktionäre stehen unter Erfolgszwang, denn nur Erfolge lassen sich verkaufen und sie lassen sich in unserer Zeit sogar sehr gut verkaufen. D.h. wer im Sport Erfolge erzielt, kann darauf ein gutes Business aufbauen. Ab diesem Moment aber gelten für die betreffenden Sportler und Vereinsfunktionäre ganz andere Gesetzes, wirtschaftliche Interessen und Gesetzmäßigkeiten werden bestimmend.
Beim Fußball z.B. geraten erfolgsversprechende Talente schon im zarten Kindesalter in diesen Strudel. Die Verbände sichern sich ab. Kein Fußballclub bildet gerne Fußballer für andere Vereine aus. Die jungen Fußballer gehören in einem gewissen Sinn dem Verein und zwar jenem, von dem sie ausgebildet werden. Sie dürfen bei anderen Vereinen nur spielen, wenn von diesen eine vereinbarte Summe auf dem Tisch gelegt wird. Mit dieser ökonomischen Sicht mit einher geht auch die Tatsache, dass die Verbände in der Regel nur jene Kinder fördern, die gewisse Resultate erzielen. Diese Kinder haben dann vielfach ein Trainingsprogramm zu absolvieren, das neben der Schule nicht viel Spielraum für andere Aktivitäten übrig lässt, die allerdings für die Entwicklung des Kindes nicht weniger wichtig wären.
Um im Leistungssport in den vordersten Reihen mithalten zu können, braucht es nicht nur Talent, sondern auch die notwendige Charakterstärke dazu und die Fähigkeit, sich für ein sportliches Ziel voll und ganz einzusetzen, die Kräfte dafür zu bündeln. Druck von Außen, z.B. von den Eltern, ist diesbezüglich nicht immer förderlich, kann unter Umständen sogar kontraproduktiv sein. Dies heißt nicht, dass Eltern deren Kinder in ihrer sportlichen Laufbahn nicht auch unterstützen und sie für bestimmte Sportarten begeistern können.
Bei gewissen Massensportarten, wie Fußball, ist es schwer, an die Spitze zu kommen. Einmal dort angelangt, spielen die Leistungsträger eine wichtige Rolle, stehen aber auch unter einem großen Druck. Die großen Sportler ziehen viele Menschen mit und heizen das Geschäft an. Denken wir an den italienischen Skistar Alberto Tomba und welche Bedeutung er für die Skiindustrie sowie insgesamt für den Skisport in Italien hatte.
Genau diese ökonomische Seite des Sports wurde in der Diskussionsrunde auch immer wieder kritisiert. Das Sportbusiness und die damit verbundenen Auswüchse nehmen Ausmaße an, die nur mehr schwer gerechtfertigt werden können. Spitzenfußballer z.B. verdienen Millionen, gigantische Summen fließen in die Werbung, die letztlich der Konsument durch den Kauf gewisser Produkte zu finanzieren hat. Die Wirtschaft braucht also die Spitzensportler, damit das Interesse für gewisse Sportarten aufrechterhalten bleibt. Sportler sind Mittel zum Zweck nicht nur für die jeweiligen Sportvereine, sondern auch für ganze Wirtschaftszweige. Solange die Leistungen stimmen, werden sie gefeiert, fallen die Leistungen ab, sind sie meistens relativ schnell weg von der Bildfläche. Diesem Leistungsdruck können nicht alle standhalten. In vielen Sportarten ist Doping an der Tagesordnung (wobei zur Verteidigung der Sportler zu sagen ist, dass sie in vielen Fällen gar nicht wissen, dass sie gedopt werden). Bei einem nicht unerheblichen Teil der Leistungssportler sind gesundheitliche Schäden die Folge und in regelmäßigen Abständen kommt es zu Todesfällen. Das ist der Tribut, den der Sportzirkus zu zollen hat, weshalb die Sportler oft als die Gladiatoren unserer Zeit bezeichnet werden. Das Sportgeschehen selbst dient ja vor allem auch der Unterhaltung und der Ablenkung des Volkes, ganz nach dem Motto, das im alten Rom herrschte: „panem et circensem“.
Sport wird mitunter mit einem modernen Krieg gleichgesetzt. Das mag in gewisser Hinsicht auch zutreffen, aber der Krieg in der Sportwelt wird mit Sicherheit nie die Ausmaße des heute grassierenden ökonomischen Krieges erreichen.
Viele Diskussionsteilnehmer wünschen sich deshalb, dass der Sport wieder auf ein menschlicheres Niveau gebracht wird. Dies kann nur gelingen, wenn die ökonomischen Verstrickungen abnehmen, denn überall dort wo das Geld regiert, spielt der Mensch nur eine untergeordnete Rolle.
Dabei handelt es sich wohl um ein gesellschaftliches Problem. Unzufriedenheiten aber auch der Ehrgeiz, besser zu sein als der andere (gerade dieser Ehrgeiz stellt im Sport eine ganz wichtige Triebfeder dar) oder auch nur besser dazustehen als der andere, sind weit verbreitet in unserer Gesellschaft. Welche die Hintergründe für dieses Verhalten sind, ist nicht so leicht zu ergründen. Fakt ist jedenfalls, dass ohne diese Unzufriedenheiten unsere Konsum- und Wirtschaftswelt gar nicht funktionieren würde: einem glücklichen Mönch wird man nämlich kaum imstande sein, einen Mercedes zu verkaufen.
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