Thema: „Paranoia und Wahn“
Ich, für mich persönlich, kann sagen, dass ich Wahn nun ein bisschen weniger wahnsinnig sehe. Jeden von uns kann es treffen und es gibt ihn in allen Formen.
Das hat uns Edmund Senoner sehr anschaulich und lebendig dargestellt. Ein Prozent der Menschen erkranken mindestens einmal in ihrem Leben an einer Psychose. Heute wird eine solche Krise im Leben eines Menschen auch oft mit einem Nervenzusammenbruch, einer seelischen Krise oder Erschöpfung (verbunden mit Depressionen und Angstattacken) umschrieben. Es handelt sich in jedem Fall um eine Krankheit, die geheilt werden kann, so wie auch andere Krankheiten. Nach einigen Monaten klingen in der Regel die Zustände wieder völlig ab und es bleibt nichts zurück. Sie kann nur einmal auftauchen (bei ca. 20 % der Erkrankten), oder mehrmalig (40 – 50 %) oder auch chronisch sein (20 – 30 %). Bei Frauen manifestiert sie sich im Durchschnitt schon mit 18-23 Jahren, bei den Männern im Schnitt erst im Laufe des dritten Lebensjahrzehnts. Die paranoide Wahnstörung tritt nicht schleichend ein, sondern taucht relativ abrupt auf.
Geradezu beeindruckend war auch die schier unerschöpfliche Anzahl der verschiedenen Formen von Wahn:
- Verfolgungswahn
- Beziehungswahn
- Schädigungswahn
- Verarmungswahn
- Schuldwahn
- Unschuldswahn
- Krankheitswahn
- Nichtigkeitswahn
- Devitalisierungswahn
- Erfinderwahn
- Eifersuchtswahn
- Bedrohungswahn
- Fremdbeeinflussungswahn
- Liebeswahn
- Querulantenwahn
- Reichtumswahn
- Untergangswahn
- Verdammungswahn
- Religiöser Wahn
- Esoterischer Wahn
Der Größenwahn scheint eine besondere Stellung einzunehmen. Von diesem werden nämlich noch einmal verschieden Facetten unterschieden:
- Politischer Wahn
- Religiöser Wahn (als Heilsauftrag)
- Wahnhafte Erhöhung der eigenen Person
- Heilswahn
- Weltverbesserungs- oder Welterneuerungswahn
- Omnipotenzwahn
Schließlich gibt es auch noch den induzierten Wahn, wenn die Wahnvorstellungen einer Person von deren PartnerIn oder Kinder übernommen werden.
Bei einer Psychose oder einer Wahnerkrankung geht es um einen verstellten Bezug zur Wirklichkeit, um ein verändertes Denken und Wollen. Es wird eine zweite Wirklichkeit wahrgenommen; es geht umd Verrücktsein (ver-rückt in eine andere Welt).
Als Ursachen für eine Wahnerkrankung werden vor allem drei genannt:
- Genetische Veranlagung
- Organische Veränderungen (verursacht durch Drogen z.B.)
- Stressige Lebenssituationen (betrifft bevorzugt Menschen, die Schwierigkeiten bei Problembewältigungen haben; diese tendieren dann auch dazu, sich in eine zweite Welt hineinzubegeben, auch mithilfe von Drogen)
Es gibt Orte oder Talschaften, die eine überdurchschnittliche Häufigkeit an Wahnerkrankungen aufweisen. Dies kann auf besonders traumatische Ereignisse zurückzuführen sein, die sich dort in jüngster Zeit oder auch bereits vor einiger Zeit ergeben haben. In Lüsen wird damit ein Brandereignis in Verbindung gebracht, bei dem das gesamte Dorf zerstört wurde.
Eine paranoide Wahnstörung ist, wie bereits erwähnt, heilbar. Eine medikamentöse Behandlung ist allerdings nicht sehr beliebt, da sie in der Regel mit verschiedenen Nebenwirkungen verbunden ist, wie Zittern, Schwitzen, Speichelbildung, oder starre Bewegungen.
In Bad Bachgard werden paranoide Fälle in der Regel nicht behandelt. Bei paranoiden Wahnerkrankungen ist es wichtig, dass der Betroffene die nötige Ruhe findet, er sollte sich vor allem mit sich beschäftigen, zu sich finden. In Bachgard hingegen ist gerade die Begegnung unter den Menschen sehr wichtig und das könnte im Fall von Paranoia eher kontraproduktiv sein.
In der Regel kann auch gesagt werden, dass mit dem Älterwerden Wahnattacken besser begegnet werden kann. Durch die Lebenserfahrungen nehmen die Lösungskompetenzen und –strategien sowie ganz allgemein die Lebensbewältigungskompetenzen zu.
Was auch nicht vergessen werden darf, ist die Tatsache, dass die Angehörigen in der akuten Phase der Krankheit mitunter stärker gefordert sind als der Betroffene selbst, der möglicherweise in seiner Welt des Wahns lebt und die Außenwelt gar nicht mehr so richtig wahrnimmt.
Wahnerkrankungen nehmen tendenziell zu. Das mag wohl auch damit zu tun haben, dass es heute ein allgemein anerkanntes, vorgegebenes Weltbild nicht mehr gibt und dass eine solide Bodenständigkeit bei den Menschen zunehmend abhanden kommt. Weltuntergangsstimmungen, Verschwörungstheorien, Depressionen verbreiten sich immer mehr, was in Zeiten der Krise, der wirtschaftlichen Unsicherheiten und der allgemein relativ wenig rosigen Zukunftsperspektiven nicht weiter verwunderlich ist.
Edmund kam dann auf die so genannte paranoide Persönlichkeit zu sprechen. Er begann mit den verschiedenen Persönlichkeitsstilen und erwähnte gleichzeitig, in welche Persönlichkeitsstörungen diese jeweils münden können:
- gewissenhaft >>>>>>>>>>> zwanghaft
- selbstbewusst >>>>>>>>>> narzisstisch
- dramatisch >>>>>>>>>>>>> histrionisch
- vorsichtig >>>>>>>>>>>>>> paranoid
- sprunghaft >>>>>>>>>>>>> borderline
- anhänglich >>>>>>>>>>>>> dependent
- lässig >>>>>>>>>>>>>>>>> passiv-aggressiv
- exzentrisch >>>>>>>>>>>>> schizotypisch
- ungesellig >>>>>>>>>>>>>> schizoid
- abenteuerlich >>>>>>>>>>> antisozial
- aufopfernd >>>>>>>>>>>>> selbstschädigend
- aggressiv >>>>>>>>>>>>>> sadistisch
- sensibel >>>>>>>>>>>>>>> selbtsunsicher
Eine paranoide Persönlichkeitsstörung hängt mit einem vorsichtigen und wachsamen Persönlichkeitsstil zusammen. Edmund hat eine paranoide Person folgendermaßen charakterisiert:
- wachsam
- eifersüchtig
- streitsüchtig
- beleidigt
- ständig zu Gegenschlägen bereit
- wenig humorvoll
- anklagend
- misstrauisch
- pseudoquerulant
- unnachgiebig
- rational
- emotional kalt
Die Diskussion über die ganz normale Paranoia des Durchschnittsmenschen ist allerdings etwas zu kurz gekommen. Aber vielleicht wird lieber über die anderen gesprochen als über sich selbst.
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