Der arabische Frühling hat weltweit für großes Aufsehen gesorgt. Er hat uns auch in Erinnerung gerufen, dass viele arabische Länder von eisernen Diktatoren regiert worden sind bzw. nach wie vor werden. Dieser so genannte arabische Frühling scheint Auswirkungen auch auf den Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu haben. Bei den Teilnehmern der Diskussionsrunde stieß die gesamte Thematik auf ein großes und sehr lebendiges Interesse.
Georg Mischì berichtete uns, dass es mit Obama zu einem neuen Verhältnis zwischen den USA und der arabischen Welt gekommen ist. Obama befindet sich nicht mehr im Krieg mit den Arabern. Der Großteil der arabischen Bevölkerung kann schließlich nicht den fundamentalistischen Islamisten zugerechnet werden (in Ägypten z.B. liegt die Schätzung bei ca. 20 %). Nun scheint sich jene Schicht in den verschiedenen arabischen Ländern in den Vordergrund zu schieben, die gegen die Bevormundung durch die diktatorischen Regimes ankämpfen und vor allem um Verbesserungen der Lebensqualität bemüht sind. Große Teile der Jugend sind an den Aufständen beteiligt, denn in erster Linie sind es die jungen Menschen in diesen Ländern, die von einer ausgesprochenen Perspektivelosigkeit betroffen sind. In den Aufständen entlädt sich deren Wut.
Bei diesen Demonstrationen gibt es nicht die sonst üblichen Fahnenverbrennungen (vor allem der amerikanischen Fahne). Ein Beweis dafür, dass es sich eben nicht um Proteste gegen das Ausland handelt, sondern dass es sich um interne Konflikte geht. Amerika versucht diese Bewegungen zu unterstützen. Es geht darum, dass diese Kräfte in den einzelnen Ländern mitbestimmen und mitregieren, dass sie ihr Gewicht, das sie eigentlich haben, einbringen können.
Amerika also bemüht sich, alles zu tun, dass diese jungen Bewegungen nicht bereits im Keim von den jeweiligen Staatskräften erstickt werden. Dies führte soweit, dass sie in Libyen sogar von der Nato direkte militärische Unterstützung erhielten, nachdem Gaddafi, sie mit größter Härte und Waffengewalt niederkämpfen wollte und vor keiner Gräueltat zurückschreckte. Gaddafi will nämlich, im Gegensatz zu seinen Präsidentschaftskollegen in Tunesien und Ägypten nicht die Macht im Staat abgeben. Folge ist allerdings, dass die militärischen Auseinadersetzungen weiter anhalten und wohl wahrscheinlich noch lange andauern werden. Anders verhält es sich in Syrien, wo der Machthaber Assad ebenfalls nicht zurücktreten will, und deshalb auch die Protestbewegungen mit Gewalt niederschlägt. Mit einem Eingreifen von Seiten der Nato wird allerdings in Syrien im Gegensatz zu Libyen nicht zu rechnen sein. Eine Intervention in Syrien ist mit großen und unberechenbaren Gefahren verbunden. Assad ist in der arabischen Welt nicht so isoliert wie Gaddafi, d.h. die anderen arabischen Länder würden im Falle eines Fremdangriffs nicht umhinkommen, Syrien zu unterstützen, der Konflikt zwischen Israel und arabischer Welt würde eine neue Dimension erhalten und sogar ein nuklearer Kriegsakt könnte nicht völlig ausgeschlossen werden.
Es rumort allerdings auch in anderen Ländern, vor allem in Jemen und Bachrain. Hier ist es Saudi Arabien, das alles unternimmt, um die bestehenden Regimes zu unterstützen, damit sich diese halten. Die Saudis wissen nur all zu gut, was auf dem Spiel steht; in Saudi Arabien besteht nämlich eines der totalitärsten Staatsgebilde der arabischen Welt. Als sehr gefährlich sind Unruhen in Algerien einzuschätzen. Das Land hat mit großen sozialen Problemen zu kämpfen (große Arbeitslosigkeit), es agieren äußerst gegensätzliche politischen Kräfte, so dass zu befürchten ist, dass ein politischer Umsturz, dieses Land wohl für sehr lange Zeit nicht mehr zur Ruhe kommen ließe. In anderen gemäßigteren Ländern, wie Marokko oder Jordanien, wird mit politischen Reformen versucht, den Protestbewegungen entgegenzuwirken.
Was hat dies alles mit Israel zu tun? Sehr viel. Israel kommt durch diese neuen politischen Kräfteverhältnisse unter Druck. Es müsste eigentliche auf diese Entwicklungen reagieren. Was es aber nicht tut. Die Juden sind so stark in ihrem Status quo verstrickt, weshalb sie sich äußerst schwer tun, auf derartige Ereignisse eine passende Reaktion zu finden. Georg Mischì möchte allerdings vorausschicken, dass es schon sehr schwierig ist, die Israelis zu kritisieren, welche Politik sie auch immer vorantreiben (wie z.B ihre Siedlungspolitik). Nach fast weltweiter Verfolgung und Holocaust, ist der Westen (vor allem auch Deutschland) sehr bestrebt, dem noch jungen Judenstaat den Fortbestand zu garantieren.
In einer Zeit, in der sich so viel in der arabischen Welt bewegt, müsste allerdings auch Israel handeln. Vielleicht müsste Israel das eine oder andere Zugeständnis machen. Aber es fährt gleich weiter in seiner Politik. Gegenüber diesen neuen Kräften in der arabischen Welt wäre es angebracht, sich gesprächsbereit zu zeigen und nicht weiterhin die Schiene des Kalten Krieges fahren. Eine Schiene, die, solange der Judenstaat sich gegenüber radikalen islamischen Gottesstaaten behaupten muss, eine gewisse Zustimmung erhält. Aber wenn die arabischen Staaten in Demokratien oder ähnlichen Staatsgebilden mutieren, dann müssten auch die Positionen Israels sich verändern.
Die Situation in Israel-Palästina präsentiert sich äußerst vertrackt. Es ist ein Land, in dem es zwei Völker gibt, die beide dasselbe Land für sich beanspruchen. Die Israelis haben den Staat und das Recht auf ihrer Seite, die Palästinenser, denen dieses Recht vorenthalten ist, antworten mit Terror. Sie beanspruchen auch einen eigenen Staat. Damit haben die Juden zwar das Recht auf ihrer Seite, aber nicht den Frieden, den dieses ihnen garantieren sollte. Im Jahre 1947 ist den Israelis der Staat zuerkannt worden (Das Land haben sie bereits vor 90 Jahren von den Engländern erhalten). Auch den Palästinensern wurde im Jahre 1967 durch eine UNO-Resolution ein Staat angeboten, sie lehnten damals aber ab, weil sie die Existenz des Judenstaates nicht akzeptierten.
Die Palästinenser leben heute vor allem in folgenden Gebieten: West-Jordanland, Gazastreifen und Golan Höhen. Sie besitzen keine Staatsbürgerschaft und keinen Pass. Es gibt dann noch weitere Millionen Palästinenser verstreut in Flüchtlingslagern auf der ganzen Welt und ca. 1-2 Millionen Palästinenser im eigentlichen Staat Israel, die auch eine Staatsbürgerschaft haben. Nun möchten sie ein eigenes Staatsgebilde in den drei genannten Gebieten. Das Problem ist allerdings, dass diese alle voneinander getrennt sind, dass auch in diesen Zonen die Juden eigene Siedlungen angelegt haben: in West-Jordanland leben ca. 300.000 Juden. Weiters bestehen beide, sowohl Israelis als auch Palästinenser, auf dieselbe Hauptstadt: Jerusalem.
Die Palästinenser arbeiten auf Zeit, ihr Trumpf ist die demographische Entwicklung. Sie sind den Israelis numerisch überlegen. Die Israelis hingegen haben die politische Macht, unterstützt von einer der bestausgerüsteten Armeen der Welt, die auch über die Atombombe verfügt. Sie sind gegen einen Palästinenserstaat oder würden ihn nur akzeptieren unter Bedingungen, die wiederum für die Palästinenser nie und nimmer annehmbar sind; nämlich:
- Der Palästinenserstaat muss entmilitarisiert sein.
- Die Grenzen sind vage zu halten, jedenfalls müssen die Siedlungen in den Palästinensergebieten weiterhin bestehen bleiben.
- Die Stadt Jerusalem kommt als Ganzes zu Israel.
Damit wird Israel weiterhin einen Palästinenserstaat verhindern. Zwei Drittel der UNO-Staaten würden nämlich auf jeden Fall Ja zu einem Palästinenserstaat sagen. Aber die USA und somit auch England sowie Frankreich, und mit Sicherheit auch Deutschland werden einen solchen Staat nur befürworten, wenn auch die Israelis dafür sind. Andererseits, einen einzigen Staat in dem Juden und Palästinenser vereint und mit denselben Rechten leben, akzeptieren die Israelis auch nicht: sie wären in einem solchen Saat nämlich in der Minderheit.
Die geschilderte Lage spiegelte nur z.T. die effektive Situation wieder, Juden sind nicht gleich Juden und Palästinenser sind nicht gleich Palästinenser. Die offizielle Politik der Israelis bestimmt die rechte, orthodoxe Gruppe. Eine andere fortschrittliche Schicht von Juden, die vor allem in Tel Aviv lebt, interessiert dieser Konflikt kaum. Auch bei den Palästinensern gibt es radikale und weniger radikale Gruppen, die auch ganz unterschiedliche Verhandlungspositionen einnehmen. Die radikalen Fatahs leben vor allem im Gaza Streifen, die gemäßigten Hamas in West-Jordanland und die Hisbollah auf den Golan Höhen.
In der Diskussion konnten zwei unterschiedliche Positionen betreffend die Lösbarkeit des Problems festgestellt werden: Eine Seite vertrat die Meinung, dass dieser Konflikt nicht lösbar sei und eine Verschärfung wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Krieg mit nicht absehbaren Folgen und Verstrickungen führen. Andere hingegen konnten sich durchwegs auch bessere Lösungen vorstellen als die Situation, die sich heute präsentiert, die für die Palästinenser auf Dauer nicht annehmbar ist. Vor allem bei geänderten Machtverhältnissen auf der Welt, insbesondere auch in den arabischen Ländern, können neue Herangehensweisen an die Problematik eine Chance bekommen.
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