Mit Wolfram Sparber hatten wir einen ausgesprochenen Experten in Sachen Energie, (mit Schwerpunkt auf die erneuerbaren Energien) in unserer Runde. Wolfram leitet in der Europäischen Akademie Bozen das Institut für erneuerbare Energie, das ca. 40 Mitarbeiter umfasst. Forschungsgegenstand des Instituts sind die Bereiche Solarenergie und Energie in Gebäuden. Angeboten wird die Produktion oder Evaluierung von Technologien und Anlagen. Weiters gehört zum Tätigkeitsfeld des Instituts die wissenschaftliche Beratung, wann immer es um den Ausbau der regenerativen Energietechnik geht bzw. um politische Entscheidungsprozesse auf diesem Gebiet.
Wolfram hatte uns kurz in die Situation der Energieversorgung in Europa eingeführt, er hat uns auch über die Ziele der europäischen Energiepolitik informiert und wie sie erreicht werden sollen.
Der so genannte Energiemix in Europa schaut folgendermaßen aus:
- 48% (der aufgewendeten Energie) geht in die Kraft/Wärme K/W
- 30% in die Transporte
- 21% in die Erzeugung von elektrischem Strom
Die Energieträger, die dabei zum Einsatz kommen, sind im Sektor Transport so gut wie zur Gänze fossiler Natur, im Sektor W/K dominiert der fossile Anteil und im Strombereich gibt es einen Mix aus Atom, Fossil und Regenerativ.
Der Umstieg von den fossilen Energieträgern und der Atomenergie zu regenerativen Energiequellen erscheint für immer weitere Gesellschaftskreise eine absolute Notwendigkeit. Den heutigen Verbrauch fossiler Energie fortzuschreiben und entsprechend viel CO2 in die Luft zu pumpen, lässt die damit verbundene Klimaerwärmung immer bedrohlicher werden. Aber nicht nur die Erderwärmung, sondern auch eine Reihe weiterer Nachteile hängen mit dem massiven Einsatz von Erdöl, Erdgas und Kohle zusammen: große wirtschaftliche Abhängigkeiten von erdölexportierenden Ländern (die teilweise als politisch sehr instabil einzustufen sind), negative Außenhandelsbilanzen, Umweltverschmutzung, Begrenztheit der Vorräte dieser Energieformen.
Auch die Atomenergie birgt große und äußerst unkontrollierbare Risiken und Gefahren in sich, wie dies vor allem die beiden Reaktorunglücke in Tschernobyl und Fukushima gezeigt haben. Darüber hinaus muss auch noch darauf hingewiesen werden, dass die Atomenergie auch nicht CO2-neutral ist. Für die Herstellung, den Transport und die Endlagerung der Brennstäbe wird fossile Energie verbraucht. Von der Kernfusion – eine andere Technologie zur Nutzung der Atomkraft – wird zwar immer wieder gesagt, sie wäre die Lösung unser aller Energieprobleme, aber niemand weiß, ob sie je kommen wird und schließlich entsteht auch bei dieser Atomkraftnutzung verseuchter Müll.
Beim Senken des Verbrauchs fossiler Energie sind vor allem die entwickelten Länder, insbesondere die großen Industriestaaten, gefordert. Den wenig entwickelten Ländern kann es jedenfalls nicht verdenkt sein, dass sie auch versuchen, eine gewisse Lebensqualität zu erreichen, auch wenn sie dabei nicht die Energiepolitik gleich ausrichten sollten, wie dies in den entwickelten Ländern bis heute der Fall war. Leider muss in den schnell wachsenden Staaten, wie China und Indien, aber auch in jenen weniger schnell wachsenden (z.B. Brasilien) beobachtet werden, dass sie denselben Weg einschlagen.
Europa hat sich jedenfalls ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: 20-20-20 wird es genannt und es bedeutet, dass bis zum Jahre 2020 der fossile Energieverbrauch um 20% und entsprechend auch die CO2-Emissionen um 20% gegenüber dem Jahr 1990 gesenkt werden sollen. Hauptsächlich über zwei Wege soll dieses Ziel erreicht werden: die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen und die Erhöhung der Energieeffizienz. Bei ersterem sind wir bereits relativ gut unterwegs, beim zweiten hingegen weniger gut.
Ziemlich viel unternommen wird im Bezug auf den Umstieg auf regenerative Energie im Bereich der Stromproduktion. Das ist auch jener Bereich, in dem die Atomenergie zum Einsatz kommt. Weltweit gibt es ca. 440 Atomkraftwerke, ein Großteil davon weist mittlerweile ein gewisses Alter auf, was vor allem aus sicherheitstechnischer Sicht einige Fragen aufwirft. In Frankreich ist die Atomkraftnutzung besonders stark ausgebaut (83% des Stromverbrauchs kommt von Atommeilern). In Deutschland werden 23% des Strombedarfs durch Atomenergie gedeckt. In Italien hingegen gibt es keine Atomkraftwerke, es werden aber ca. 17% des verbrauchten Stroms durch Importe abgedeckt, wobei es sich großteils um Atomstrom handelt. Der Prozentsatz der regenerativen Energiequellen bei der Erzeugung von elektrischer Energie in Italien beträgt 14-17%. In Südtirol wird ca. zweimal so viel Strom erzeugt als verbraucht wird.
Der Stromverbrauch nimmt jedenfalls europaweit nach wie vor zu (vor allem Kühlanlagen und Elektrogeräte legen ständig zu), womit so manche Anstrengung in Richtung nachhaltige Stromerzeugung wieder zunichte gemacht wird.
Kritischer und viel schwieriger ist der Umstieg auf erneuerbare Energiequellen in den Sektoren Transport und Kraft/Wärme.
Ein wichtiger Begriff ist die so genannte graue Energie, womit jene Energiemenge gemeint ist, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Auch bei einem Haus wird von grauer Energie gesprochen. Sie beträgt bei einem normalen Haus von 15-20%; im Falle eine Passivhauses ist dessen Anteil natürlich höher.
Im Zusammenhang mit den verschiedenen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien für die Stromerzeugung wird auch von Rückzahlzeiten gesprochen. Das ist jene Zeit, die die Anlage in Betrieb sein muss, um jene Energie zu erzeugen, die für dessen Errichtung aufgewendet werden musste. Bei Wasser- und Windkraftanlegen beträgt diese Zahl nur ein zwei Jahre, bei den Photovoltaikanlagen hingegen ist sie mindestens doppelt so hoch.
In der Diskussion wurde viel über die Hindernisse gesprochen, die sich der Energiewende in den Weg stellen. Z.B. ging es viel um die Frage, ob die Nutzung der erneuerbaren Energiequellen wirklich in dem Maße ausbaufähig ist, damit wir allein durch diese unseren fast unersättlichen Hunger nach Energie stillen können.
- Das Wasserkraftpotential ist bereits in vielen Ländern sehr stark ausgeschöpft, die Ausbaukapazität ist sehr begrenzt; schließlich wollen wir uns ja auch noch einige intakte Bach- und Flussläufe erhalten.
- Die Windkraft ist nur dort nutzbar, wo Windstärke und –konstanz halbwegs passen. Weiters sind auch landschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, wenn sie in einer ganzheitlich nachhaltigen Art und Weise genutzt werden soll.
- Auch die Sonne scheint nicht überall gleich stark. Die Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie haben einen kleineren Wirkungsgrad als bei den vorher genannten Energieformen. Bei solaren Spiegelkraftwerken wäre allerdings mehr drin als bei den heutigen Photovoltaikanlagen auf Siliziumbasis.
- Die zur Verfügung stehende Biomasse ist ebenfalls begrenzt: aus den Wälder, wenn sie nicht übernutzt werden sollen, kann nur ein gewisser Anteil der angereiften Holzmenge herausgenommen werden und im Landwirtschaftsbereich muss der Anbau von Energiepflanzen in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion gesehen werden.
- Die geothermischen Potentiale scheinen besser verteilt zu sein. Allerdings steckt die diesbezügliche Technologie noch in den Kinderschuhen, weshalb diese Energienutzungen nach wie vor sehr kostspielig sind.
Da einige der genannten regenerativen Energiequellen weder räumlich noch zeitlich gleichmäßig verteilt vorhanden sind, stellen sich weitere Probleme:
- Das Stromverteilungsnetz muss erheblich ausgebaut werden mit den damit verbundenen Kosten sowie Belastungen für Mensch und Landschaft.
- Es müssen Energiespeicheranlagen und –möglichkeiten geschaffen werden, die wiederum Eingriffe in Natur und Landschaft sowie Kosten verursachen.
Nun ist zu hoffen, dass der Energieverbrauch durch eine verbesserte Energieeffizienz gesenkt werden kann. Allerdings müssen auch die Grenzen in der Effizienzsteigerung gesehen werden. Ist der Mensch für all zu technische Systeme überhaupt geschaffen? Oder wenn wir an das Thema Biologie beim Hausbau denken, dann stellt sich die Frage, ob eine 20 cm dicke Plastikhülle wirklich so ideal ist für ein gesundes und nachhaltiges Wohnen.
Schließlich blieb die Gretchenfrage, ob wir nicht doch, wenn wir unsere Energie- und Ressourcenversorgung nach den oben genannten Kriterien ausrichten wollen, auch an unserer Lebensweise feilen müssen. Ist unser gängiges Konsumverhalten mit einem nachhaltigen Umgang mit Energie und Ressourcen vereinbar? Weite Kreise der Politik lehnen Einschnitte auf dieser Ebene völlig ab, im Gegenteil es wird immer weiter und unablässig von weiteren Wachstum gesprochen. Da war im Gegenzug beim Freitagsalon schon sehr erfreulich festzustellen, dass sich so mancher Diskussionsteilnehmer diesbezügliche Verhaltensänderungen in unserer Gesellschaft durchwegs vorstellen kann, da die Kinder und Jugendlichen von heute weniger Schwierigkeiten haben, auf das eine oder andere zu verzichten, als dies noch in unserer Generation der Fall war und ist.
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